Ist Sitzenbleiben im Jahr 2015 noch zeitgemäß? Eine Bestandsaufnahme

Vor knapp zwei Jahren wurde in Deutschland eine rege Debatte darüber geführt, ob das Sitzenbleiben in der Schule sinnvoll ist oder abgeschafft gehört. Damals sprachen sich 85 Prozent der befragten Schüler und Studenten sowie 73 Prozent der Bundesbürger gegen eine Abschaffung aus. Diese Debatte entstand aus einem Missverständnis heraus, bei dem von der Öffentlichkeit fälschlicherweise angenommen wurde, dass die niedersächsische SPD und Bündnis 90 die Grünen im Zuge ihrer Koalitionsverhandlung über ein mögliches Anschaffen der schulischen Ehrenrunde sprachen. Jetzt könnte die Diskussion wieder neu entfacht werden. Einer aktuellen Studie aus den Niederlanden zur Folge kostet das Sitzenbleiben dem niederländischen Staat jährlich 500 Millionen Euro. Der Bildungsforscher Klaus Klemm errechnete, dass das Sitzenbleiben in Deutschland im Schuljahr 2013/14 Kosten in Höhe von 800 Millionen Euro verursacht. Beide Studien stimmen darin überein, dass die Nichtversetzung unwirtschaftlich sei und dass man dieses Instrumentarium überdenken solle.

Sitzenbleiben aus Sicht der Befürworter

Viele Pädagogen sprechen sich jedoch gegen eine universelle Verteufelung des Sitzenbleibens aus. Eine Argumentation lautet, dass der Großteil der betreffenden Schüler über zu große Wissenslücken verfüge, um in die nächste Klassenstufe versetzt zu werden. Nur die wenigsten verfehlen das Klassenziel knapp. Durch die Wiederholung eines kompletten Schuljahres hat der Schüler die Möglichkeit, den Stoff in Ruhe aufzuarbeiten. Auch wirke die Aussicht, das Schuljahr wiederholen zu müssen, auf viele Schüler abschreckend genug, sodass sie mit einer merklichen Leistungssteigerung reagieren. Nicht zuletzt dient das Sitzenbleiben als eine Art Qualitätssicherung. Hiermit wird sichergestellt, dass nur diejenigen Schüler unterrichtet werden, die die entsprechenden Anforderungen erfüllen. Daher sei das Sitzenbleiben eine sinnvolle pädagogische Maßnahme, sind sich befürwortende Pädagogen einig.

Was spricht gegen das Sitzenbleiben

Kritiker werfen ein, dass das Sitzenbleiben kein Garant für zukünftig gute Leistungen des Schülers sei. Für die Schüler wirke die Nichtversetzung eher demotivierend. Frustration gepaart mit einem Gefühl gescheitert zu sein, sei eher ausschlaggebend dafür, dass die Schüler die Chance nicht nutzen. Mit dem Verlassen der Klasse werden die Schüler zudem aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen – je nach Typ eine zusätzliche Stresssituation. Und nicht zuletzt zeigt ein Blick nach Finnland, die beim Pisa-Test gut abschnitten, dass ein Bildungssystem auch ohne Klassenwiederholungen erfolgreich funktioniert.