Phänomene statt Unterricht – Finnland schafft die Schulfächer ab

Anfang November 2016 wurde es offiziell. Finnland möchte sein Schulsystem ändern und Schulfächer abschaffen. Wie genau das aussehen soll und ob die finnischen Kinder dann überhaupt noch in die Schule müssen? Wir klären auf.

Was steckt hinter der Abschaffung der Schulfächer?

Die Entscheidung der finnischen Bildungsexperten konnte jeder entweder im Internet, im Radio oder in den Fernsehnachrichten lesen bzw. hören. Es sollen keine klassischen Fächer wie Mathe, Chemie oder Physik unterrichtet werden, da diese inhaltlich nicht mehr den Ansprüchen des aktuellen Jahrhunderts entsprechen würden. Vielmehr sollen sogenannte Phänomene thematisiert werden. Das bedeutet, dass bestimmte Arbeitsabläufe aus dem Alltag besprochen und damit zusammenhängendes Wissen vermittelt wird. Zudem können und sollen die Schüler bei der Identifikation spannender und hilfreicher Themen bzw. Phänomene mitwirken. Es soll damit sichergestellt werden, dass das Interesse am Unterricht seitens der Kinder steigt und die Themen stark zukunfts- und berufswunschorientiert sind. Ein Beispiel für ein Phänomen wäre: „Arbeiten in der Gastronomie“. Nach der Phänomen-Definition überlegen Lehrer und Schüler gemeinsam, mit welchen Fragestellungen Personen in diesem Berufsfeld konfrontiert sind. Diese werden im Anschluss Inhalt des Unterrichts. In dem benannten Beispiel könnten das sein:
  • Sprachen lernen, für den Kontakt mit internationalen Gästen
  • Mathe für eine deckende Kostenkalkulation (Kosten/Umsatz) und die Berechnung der Preise auf einer Speisekarte
  • Steuererklärungen, wenn es eine selbstständige Arbeit in der Gastronomie ist
  • Umgang mit Gästen
  • Lebensmittelhygiene
Die Phänomene werden sehr umfassend und ganzheitlich durchgearbeitet. Ein hoher Praxisbezug in den theoretischen Parts sowie ein großer praktischer Anteil sollen das Ziel des zukunftsorientieren Lernens vorantreiben.

Wie erfolgt die Umstellung von Schulfach zu Phänomen

Der Austausch der Schulfächer zu Phänomenen startet zunächst bei den Schülern ab 16 Jahren. Insbesondere in diesem Alter kann der Fokus stark auf die angestrebten Berufe und den Übergang in ein eigenständiges Leben, losgelöst vom Elternhaus, gelegt werden. Peu à peu soll die Umstrukturierung dann auch in die unteren Klassenstufen vordringen. Bis 2020 soll die Umstellung erfolgen. Der Unterricht soll dann primär in Form von Seminaren stattfinden, um einen regen Austausch und zielführende Diskussionen mit und unter den Schülern zu fördern. Zudem soll ein altersübergreifendes Lernen ermöglicht werden, indem es keine strikten Themenvorgaben für die jeweiligen Schulklassen gibt. Die Kinder lernen somit, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln.

Mehr Interesse durch die Möglichkeit der Mitbestimmung

Die finnischen Bildungsexperten verfolgen mit Ihrer Umstrukturierung folgendes Ziel: durch die Auflösung der traditionellen Unterrichtsstruktur und Abschaffung der Schulfächer, soll das Interesse und die Beteiligung am Unterricht seitens der Schüler gesteigert werden. Der direkte Praxisbezug und die direkte Übertragungsmöglichkeit des Gelernten in den Alltag, soll die Lernmoral und den Wissensdurst stetig erhöhen. Durch das altersübergreifende Lernen und den Wunsch nach dem aktiven Austausch der Schüler untereinander wird das oft abschreckende Bild des Frontalunterrichts abgelöst.