Lernen durch Lehren bezeichnet eine handlungsorientierte und konstruktivistische Lernmethode, bei der sich Schüler einen bestimmten Lernstoff selbstständig aneignen und im Anschluss ihren Mitschülern vorstellen. Die Schüler überprüfen außerdem mithilfe von selbstgewählten und geeigneten Übungen, ob die Mitschüler die Informationen wirklich verstanden haben. Diese Form entspricht der idealtypischen Variante der „Lernen durch Lehren“ Methode. Mithilfe dieser Lernmethode, die als neues und modernes Unterrichtskonzept genutzt wird, sollen die Schüler vor allem kognitive Fähigkeiten und soziale Kompetenzen entwickeln, fördern und stärken. Hierzu zählen Systemdenken und das Vermögen Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden sowie Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. Diese Lernmethode eignet sich vor allem für den jahrgangsübergreifenden Unterricht.
Lernen durch Lehren – Entwicklung einer modernen Lernmethode
Obwohl diese Lernmethode heutzutage als modernes Unterrichtskonzept präsentiert wird, ist der grundlegende Ansatz der Methode nicht neu. Bereits in der Antike lassen sich erste Hinweise zu dieser Art des Lernens finden. In der Antike soll Seneca bereits Briefe an Lucilius mit dem Gedanken verfasst haben, dass jeder, der lehrt, auch selbst etwas lernt. Seither können geschichtlich immer wieder Versuche beobachtet werden, bei denen Schüler als Lehrer eingesetzt wurden. Da diese Idee sehr naheliegend ist, wird die Lernmethode „Lernen durch Lehren“ immer wieder neu aufgenommen. Leider verfolgt hier jeder seinen eigenen Ansatz und eine konsistente Weiterentwicklung der Methode ist demzufolge nicht gewährleistet, da jeder „Neuerfinder“ selten die Tradition und Methodik seiner Vorgänger aufarbeitet. Hauptvertreter dieser Lernmethode ist Jean-Pol Martin, welcher Lernen durch Lehren von 1981 bis 2008 zu einem pädagogischen Gesamtkonzept entwickelte. Jean-Pol Martin entwickelte das Konzept systematisch im Französischunterricht, untermauerte es theoretisch mithilfe der humanistischen Psychologie und Kognitionspsychologie und dokumentierte dies in zahlreichen Publikationen. Sein Kontaktnetzwerk half ihm letztendlich das ganzheitliche Konzept 1987 zu verbreiten. Die Pädagogen aus seinem Netzwerk testeten die Lernmethode ausgiebig in allen Fächern, dokumentierten den Ablauf ihres Unterrichts und stellten Lernen durch Lehren auf Lehrerfortbildungen vor. Durch die, im 20. Jahrhundert, aufgekommene Schulreform erlebt die Lernmethode seit 2001 einen beachtlichen Aufschwung. Mittlerweile hat das Lernkonzept sogar schon Einzug in die Erwachsenenbildung gehalten.
Jean-Pol Martin – Begründer der modernen Lernmethode
Jean-Pol Martin wurde 1943 in Paris geboren und studierte später Germanistik. Basierend auf seinem Forschungsinteresse und seiner Forschungsmethodik, lässt er sich dem Bereich der Aktionsforscher zuordnen. Die Entwicklung seines pädagogischen Konzepts zur Lernmethode Lernen durch Lehren hat er von Anfang an auf einer neurowissenschaftlichen Basis aufgebaut. Seine Sichtweise lehnt sich an die von Dietrich Dörner an, wenn es um das explorative Verhalten geht. Hierbei wird das explorative Verhalten als die zentrale Dimension bei der individuellen und auch kollektiven Lebensbewältigung gesehen. Demzufolge zielen alle seine Unterrichts- und Kursvorschläge darauf ab, exploratives Verhalten zu fördern und zu habitualisieren. Nach dem Aufkommen des Internets entwickelte Jean-Pol Martin ab den 2000 Jahren das sogenannte Schlüsselqualifikationsmodul „Internet- und Projektkompetenz“, welches Studenten zu gemeinsamen Wissenskonzepten anleitet. Zudem entwickelte er ebenfalls die Theorie des Internets als Gehirn. Hierbei agieren Menschen wie Neuronen und generieren im Rahmen von intensiven und virtuellen Interaktionen neues Wissen. In diesem Zusammenhang prägte er die, in der digitalen Welt verbreitete, Didaktik der „Neuronenmetapher“ und damit auch den Begriff der Netzsensibilität.
Lernen durch Lehren – wie funktioniert das genau?
Um die Wirkungsweise der Lernmethode zu veranschaulichen, wird als Beispiel der Fremdsprachenunterricht genutzt. Dieses spezielle Konzept lässt sich mit nur wenigen Modifikationen auf weitere Fachrichtungen übertragen.
Das Verfahren der Lernmethode Lernen durch Lehren
Ziel ist es, dass die Schüler Schritt für Schritt die Funktionen des Lehrers übernehmen. Hierfür verteilt der Lehrer die Arbeitsaufträge an die Schüler und unterstützt diese bei der Vorbereitung der Inhalte. Sofern nötig, werden die schriftlichen Vorlagen der Schüler durch den Lehrer korrigiert. Letztendlich übernehmen immer zwei Schüler zu Beginn der Unterrichtseinheit die Leitung der Stunde. Die Schüler leiten die Korrektur der Hausaufgaben, koordinieren Arbeitsgruppen zur Darbietung des neuen Lernstoffes und leiten die Übungseinheiten zum Lernstoff.Lernen durch Lehren – wirkungsvolle Lernmethode
Die positiven Wirkungen durch diese Lernmethode im Fremdsprachenunterricht sind vielfältig.
- Lehrer redet weniger
- Schüler kommen bis zu 80 % zu Wort
- Schülerperspektive bei schwierigen Lernstoffen hilft beim Verstehen
- Gruppen wechseln durch – soziale Kompetenzen werden gefördert
- Hemmschwelle zwischen Schülern geringer
- Lehrer erkennt Verständnisschwierigkeiten durch Außensicht schneller
Lernen durch Lehren bietet den Schülern die Möglichkeit wichtige Soft und Hard Skills, wie zum Beispiel Eigenverantwortung, Kompromissfähigkeit und Teamfähigkeit als auch Fach- und Sachkompetenz zu erlernen. Die Lernmethode Lernen durch Lehren versucht in der Praxis drei große Bereiche zu vereinen:
- Eine intensive kognitive Durchdringung der stofflichen Inhalte
- Eine intensive Kommunikation zwischen den Lernenden, damit der Lernstoff vermittelt werden kann
- Die Anwendung der notwendigen Sprachstruktur, die für den Kommunikationstransfer vonnöten ist
Während einer Unterrichtseinheit greifen die drei Schritte immer wieder ineinander, da sie durch die Lernmethode ganz natürlich und über Rückkopplung geleitet werden. Die Lernmethode Lernen durch Lehren eignet sich vor allem für Unterrichtseinheiten, in denen neues Wissen auf bewährte Grundlagen aufgebaut wird. Der letztendliche Lernerfolg hängt bei dieser Lernmethode im Vergleich zu klassischen Unterrichtsmodellen noch stärker von der intrinsischen Motivation der Lernenden ab. Die Identifikation mit den Lerninhalten steht hier an erster Stelle. Deshalb kann diese Lernmethode auch mit dem eigenständigen Lernen durch einen offenen Unterricht verglichen werden.
Vor- und Nachteile der Lernmethode: Lernen durch Lehren
Wie bereits angedeutet, bietet die Lernmethode Lernen durch Lehren zahlreiche Vorteile. Vor allem in einer modernen Informationsgesellschaft bietet sich die Methode an, um die permanenten Informationsströme zu kanalisieren. Studenten und Schüler können durch die Methode Lernen durch Lehren ihre allgemeine Befähigung erhöhen, angemessene Wissenstransferprozesse zu leisten. Für diese Befähigung sind vor allem kommunikative und handlungstheoretische Kenntnisse besonders wichtig, die in der entsprechenden Situation auch in praktische Resultate überführt werden können. Zusätzlich bietet sich den Schülern und Studenten die Möglichkeit, die Rolle des Lehrenden mit allen Rechten und Möglichkeiten kennenzulernen. Die eigene Persönlichkeit sowie Sozialkompetenz wird geschult, kritisch hinterfragt und selbstständig nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.
Neben diesen zahlreichen und unstrittigen Vorteilen steht die Lernmethode Lernen durch Lehren in einigen Punkten jedoch auch in der Kritik. In der Regel wird dieser Methode vorgeworfen, ausschließlich auf bewährte Unterrichtskonzepte, wie Referate und Frage-Antwort-Spiele, zurückzugreifen. Diese Kritik wird der Lernmethode nicht ganz gerecht. Trotzdem lässt es sich oft nicht vermeiden, dass die neue und moderne Art zu lernen schnell ihren Reiz verliert und für Langweile im Klassenzimmer sorgt. Auch das Repertoire an Präsentationstechniken ist beim Lernen durch Lehren durchaus begrenzt.
Einsatzgebiete des modernen Lernens
Lernen durch Lehren wird vermehrt an Fachhochschulen und Universitäten genutzt, die ihre Schüler und Studenten auf einer wissenschaftlichen Grundlage vor allem anwendungsorientiert ausbilden. Dies lässt sich auch auf den Fremdsprachenunterricht anwenden. Hierbei geht es jedoch nicht um eine umfassende Grundlagenforschung, sondern vielmehr um das Vermitteln von fachspezifischen und Berufs-angewandten Kenntnissen. Gerade in der vorherrschenden Informationsgesellschaft, gilt es permanent die Informationsströme zu kanalisieren, wichtiges Wissen zu filtern und auf konkrete Einsatzgebiete sinnvoll anzuwenden. Insofern eignet sich die Lernmethode Lernen durch Lehren für jedes Fach und verschiedene Anwendungsgebiete. Um Monotonie, Unruhe und unbefriedigenden Lernerfolgen vorzubeugen, sollte das moderne Lernen auch vermehrt im Fremdsprachenunterricht Anwendung finden.
Lernen durch Lehren – Lernmethode der Zukunft
Aktuell erlebt die Art des Lernens einen positiven Trend und erhält viel Aufmerksamkeit, da sie sehr praxisorientiert ist und vor allem die Lernenden ins Zentrum des Unterrichts stellt. Zudem beruht das Konzept Lernen durch Lehren durch Jean-Pol Martin grundlegend auf einer wissenschaftlichen Basis. Um die Methode jedoch erfolgreich im Unterricht anwenden zu können, müssen Lehrer und Schüler dazu bereit sein, klassische Methoden und Ansätze aus dem Unterricht zu verdrängen. Ist diese Bereitschaft gegeben, kann die Lernen durch Lehren Methode durchaus eine positive Alternative zum traditionellen Unterricht darstellen. Für die Einführung der neuen Lernmethode müssen auch nicht alle vertrauten Strukturen über Bord geworfen werden, jedoch ist der Perspektivenwechsel zu Beginn eine große Umstellung. Vor allem den Lehrenden fällt es oft schwer, Autonomie und Macht an die Schüler abzugeben.