Lesen durch Schreiben – Schädlich oder hilfreich?

In den letzten Monaten ist die Debatte um die Unterrichtsmethode „Lesen durch Schreiben“ immer wieder aufgeflammt. In Bayern fordern Lehrer, frei wählen zu können, welche Methode sie im Schreib- und Leseunterricht anwenden. Worum es sich bei der umstrittenen Methode handelt und wie Befürworter und Kritiker argumentieren, möchten wir im Folgenden erläutern.

Die Methode „Lesen durch Schreiben“

„Lesen durch Schreiben“ wurde von dem schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen in den 70er Jahren entwickelt und 1995 an vielen deutschen Schulen eingeführt.
Schüler der ersten und zweiten Klasse, die nach der Methode unterrichtet werden, sollen lernen, nach Gehör zu schreiben. Wörter sind also keine festgelegte Reihenfolge von Buchstaben, sondern eine Aneinanderreihung von Lauten. Den Schülern wird eine „Anlauttabelle“ an die Hand gegeben, in der jeder Buchstabe mit einem Laut (zum Beispiel „M“ für „Maus“) verbunden wird. So sollen Kinder Buchstaben mit Lauten assoziieren, wodurch sie begleitend auch einfacher Lesen lernen.
Das Korrigieren der nach Gehör geschriebenen Wörter durch Lehrer und Eltern soll vermieden werden. Eine Schreibweise wie „Fahter“ für „Vater“ ist vollkommen legitim. Erst in der dritten Klasse wird nach der herkömmlichen Methode unterrichtet und falsche Rechtschreibung korrigiert.

Scharfe Kritik von Lehrern und Eltern

Seit der Einführung der Methode wird diese von Eltern und Lehrern scharf kritisiert. Vor allem wird bemängelt, dass „Lesen durch Schreiben“ Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt. Da Kinder mit ausländischem Hintergrund Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, fehlt ihnen das nötige Sprachverständnis, um Buchstaben und Laute einander richtig zuzuordnen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Viele Lehrer beobachten, dass Kinder, die nach „Lesen durch Schreiben“ gelernt haben, in der dritten Klasse eher Rechtschreibeprobleme aufweisen, als diejenigen, die nach einer Fibel unterrichtet wurden. Gestützt wird diese Kritik durch die „Marburger Studie“, die 2005 unterschiedliche Lehrmethoden und ihre Auswirkung auf Rechtschreibestärke von Schülern untersuchte. Auch diese zeigte eine höhere Anzahl von Kindern mit Rechtschreibeproblemen unter den Schülern, die nach „Lesen durch Schreiben“ unterrichtet wurden.

Befürworter verteidigen die Methode

Befürworter der Methode bezeugen hingegen, dass Kinder, die ohne einen „Rotstift“ schreiben lernen, viel positiver an die Materie des Schreibens und Lesen herangehen, als Kinder, die durch Lehrer und Eltern korrigiert werden. Sie seien so auch wesentlich motivierter, sich schriftlich auszudrücken.

Wie geht es weiter?

Im Land Bayern wird im Frühjahr entschieden, wie der Lese- und Schreibunterricht in Zukunft unterrichtet wird – danach bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte um die umstrittene Methode in Deutschland entwickelt.