Nonverbale Lernstörung

Die Nonverbale Lernstörung (NLS), englisch auch Nonverbal Learning Disorder (NLD), ist eine in Deutschland weniger bekannte Art der Lernstörung. Die Betroffenen sind bedingt durch ihre Störung sehr sprachbegabt und können schon früh lesen, auch wenn sie das gelesene noch nicht wirklich begreifen. Ihre Schwierigkeiten liegen in der nonverbalen Interaktion – und die macht mit über 90 % den Großteil des menschlichen Verhaltens aus.

Generell gibt es vier Bereiche, in denen Kinder mit einer Nonverbalen Lernstörung auffällig sind: Motorik, Visuell-räumliche Wahrnehmung, soziale Kontakte und Sensorik. Motorisch sind sie sehr ungeschickt und es fehlt ihnen an Koordination und Feinmotorik. Zudem ist ihr Gleichgewichtssinn nicht besonders ausgeprägt, sodass es unter anderem beim Laufen und Fahrradfahren lernen zu Unfällen und infolgedessen zu Verletzungen kommt. Hinzu kommt ein Problem bei der visuell-räumlichen Wahrnehmung. So fällt es etwa schwer, Details zu erkennen und zu unterscheiden. Da Betroffene nicht in der Lage sind, die Körpersprache und Emotionen des Gegenübers zu entschlüsseln, bauen sie keine sozialen Kontakte aus und werden somit gesellschaftlich isoliert. Sensorisch liegt eine Über- oder Unterempfindlichkeit in einem der fünf menschlichen Sinne vor. Da als Ursache der Beeinträchtigung nonverbale Schädigungen an der „weißen Substanz“ der rechten Hirnhemisphäre vermutet werden, erkunden die Kinder ihre Umwelt vor allem verbal. Das bedeutet, dass sie viele Fragen stellen (müssen) und meistens recht „altklug“ wirken. Ihnen fehlt jedoch die elementare Fähigkeit, durch informelles Lernen praktisch nebenbei, ohne es zu merken, den Umgang mit anderen Menschen und Situationen zu lernen. Daher fällt es ihnen besonders schwer, sich an neue Situationen zu gewöhnen – ihre Probleme sind dann besonders auffällig, wenn es um Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit geht. Da es keine Automatismen gibt, auf die die Kinder zurückgreifen können, zeigen sie enorme Leistungen im wörtlichen Abspeichern bereits vergangener Situationen.

In der Schule gibt es bei Fremdsprachen gar keine Probleme, dafür bei Mathematik und im Sportunterricht – wegen der eingeschränkten Motorik. Daher haben sie auch besonders bei schriftlichen Arbeiten Probleme, weil sie einfach zu lange brauchen, um mit den Aufgaben fertig zu werden. Die schwer zu meisternden sozialen Situationen und die einsetzende Isolierung können zu Angstzuständen und Depressionen führen.
Besonders tückisch ist die Tatsache, dass bei der frühen und ausgeprägten Fähigkeit zu sprechen und zu lesen die Eltern besonders stolz auf ihr Kind sind und die eigentliche Kompensationsleistung, die dahinter steckt, gar nicht bemerken. Diagnostiziert werden kann die Nonverbale Lernstörung am besten mit einer differenzierten Lern- und Leistungsdiagnostik, wie sie zum Beispiel der HAWIK-Test bietet, der zwischen verbaler und nonverbaler Intelligenz unterscheidet. Um den motorischen Beeinträchtigungen der NLS entgegenzuwirken, bietet sich bereits im Vorschulalter Physio- oder Ergotherapie an.